Etwa ein Drittel der asthmakranken Kinder ist dauerhaft vom Schulsport befreit und vermeidet auch in der Freizeit sportliche Aktivitäten. Zu groß ist die Angst der Eltern, die Belastung würde einen Asthmaanfall auslösen. Dabei ist nach Experten-Ansicht genau das Gegenteil richtig: Ein Kind, das regelmäßig Sport treibt, kann auch mit der Asthma-Erkrankung wesentlich besser umgehen.
„Langfristig kann es schaden, wenn Kinder gar keinen Sport treiben und sogar vom Schulsport befreit werden“, sagt Dr. Manfred Diensberg, Facharzt für Allgemeinmedizin in Wetter. Denn ein Kind mit Asthma müsse seine Atemwegskräfte erhalten und verbessern. Allein schon um bei einem eventuellen Asthmaanfall besser über die Runden zu kommen: „Bei einem Asthmaanfall ist jede Reserve wichtig, die ein Kind bis dahin vom Sport aufgebaut hat“, sagt Asthma-Experte Dr. Diensberg.
„Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass viele aus Vorsicht das Kind vom Sport befreien“, berichtet Dr. Diensberg, der zahlreiche Kinder und Eltern im Umgang mit Asthma geschult hat. Die Eltern hätten oft Angst, die körperliche Belastung würde unmittelbar einen Asthmaanfall bei ihrem Kind auslösen. Diese Angst ist sogar unter einigen Lehrern verbreitet, wie Untersuchungen zeigen. Demnach werden asthmakranke Kinder mitunter von vornherein vom Schulsport ausgeschlossen. Und auch in der Freizeit werden sportliche Aktivitäten oft vermieden, weil Eltern oder Trainer das Gesundheitsrisiko für das asthmakranke Kind als zu groß erachten.
Dabei ist nach Experten-Ansicht genau das Gegenteil richtig: Ein Kind, das regelmäßig Sport treibt, kann auch mit der Asthma-Erkrankung wesentlich besser umgehen. Vor allem Ausdauersportarten wie Radfahren, Laufen, Rudern oder Inline-Skaten haben sich bei Asthmatikern bewährt. Dr. Diensberg: „Ausdauertraining ist für Kinder mit Asthma grundsätzlich besser geeignet als Sportarten, die kurzzeitige Spitzenbelastungen erfordern.“ Regelmäßiges Ausdauertraining verbessert den körperlichen Trainingszustand. Dadurch sinkt die Atemarbeit und damit auch das Risiko, durch Hyperventilation einen Asthmaanfall auszulösen. Schwimmen ist als Ausdauersport ebenfalls empfehlenswert – sofern das Kind nicht auf Leistung getrimmt wird. „In den meisten Schwimmbädern ist die Konzentration von Chlor ungefähr ein bis zwei Zentimeter über dem Wasser am höchsten. Wer Wettkampfmäßig trainiert, hat ständig die Nase unmittelbar über der Wasseroberfläche. Dadurch kann die Lunge durch Reizgase überlastet werden“, erklärt Dr. Diensberg. Gegen Freizeitschwimmen sei jedoch nichts einzuwenden. Hat das Kind kein Interesse an Ausdauersportarten, sind auch Ballsportarten wie Fußball oder Tennis oder gar Tischtennis für asthmakranke Kinder eine Option: „Fast alle Sportarten, die das Kind machen kann und ihm Spaß machen, sind gut“, sagt Dr. Diensberg. „Allerdings sollte man das Kind darauf hinweisen, dass es sich nicht auf die letzten Atemzüge hinaus verausgabt.“ Eher ungünstig sind für Kinder mit Asthma Kampfsportarten wie Karate oder Judo, da durch den Körperkontakt gerade im Brustbereich Atemprobleme ausgelöst werden könnten.
Wichtig ist, die individuellen Rahmenbedingungen für das asthmakranke Kind gemeinsam mit dem Arzt auszuarbeiten. Denn tatsächlich gibt es Asthma-getriggerte Sportsituationen, die bei hoher Verausgabung einen Asthmaanfall auslösen können. Doch solchen Situationen kann man gut vorbeugen.
Grundvoraussetzung für die sportliche Betätigung ist, dass das Asthma gut behandelt und kontrolliert wird. Eine gründliche Untersuchung beim Arzt, darunter vor allem die Überprüfung der Lungenfunktion mit einem geeigneten Belastungstest ist empfehlenswert. Eine gute Planung gehört ebenfalls dazu. Wichtig ist auch, den Trainer oder beim Schulsport den Lehrer mit einzubeziehen.
Grundsätzlich gilt: Ein Asthmakrankes Kind kann beim Sport auch mal außer Atem kommen und dies hat dann in der Regel nichts mit der Erkrankung zu tun, sondern ist ganz normal wie bei anderen Kindern auch. Aber: Die maximale Belastungs-Grenze ist bei jedem Kind anders. Das bedeutet konkret: Die individuellen Normal- und Grenzwerte sollten bei einem asthmakranken Kind zuvor ermittelt und regelmäßig überprüft werden.
Hierfür wird ein sogenanntes Peak-Flow-Meter benutzt. Das kleine, medizinische Gerät misst die maximale Strömungsgeschwindigkeit der Atemluft. Das Peak-Flow-Meter wird vom Arzt verschrieben und von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt. Es ist einfach anzuwenden: Das Kind pustet einfach hinein, so als würde es eine Kerze auspusten.
„Die erste Messung mit dem Peak-Flow-Meter erfolgt in der Arztpraxis, bei dem die Eltern und das Kind den richtigen Umgang mit dem Gerät erlernen“, erklärt Dr. Diensberg. Dann wird regelmäßig morgens und abends zuhause gemessen – am besten zwei Wochen lang
während einer möglichst beschwerdefreien Zeit. Der höchste Wert in dieser Zeit ist dann der persönliche Bestwert des Kindes. An diesem Wert legt der Arzt das weitere Asthma-Management fest und er erklärt den Eltern und dem Kind auch, wie sie die Medikamente anpassen, wenn sich der Wert verändert.“ Denn diese Messungen können regelmäßig weiter zuhause durchgeführt werden. „Es kann auch während des Sports gemessen werden, wenn man das Gefühl hat, dem Kind geht es etwas schlechter. Das gibt den Eltern und dem Kind in der Regel mehr Sicherheit“, sagt Dr. Diensberg.
Ist der gemessene Wert ok, kann das Kind – wenn es möchte – weiter Sport treiben. Dr. Diensberg: „Ich würde dem Kind aber in solchen Situationen immer sagen: „Sei vorsichtig, achte auf dich. Und wenn es dir schlechter geht, dann wird eben noch einmal gemessen oder du kommst zu mir.“ Manchmal sei es aber auch besser, dem Kind zu sagen: „Jetzt mach mal Pause und dann warten wir einen Moment ab und du kannst gucken, ob du noch mal in den Sport zurückkannst…“ Das gilt vor allem dann, wenn ein Kind Angst hat in einen Asthmaanfall hineinzukommen, der irgendwann ja mal als existenziell bedrohlich erlebt wurde. Es sei wichtig, so Dr. Diensberg, beruhigend auf das Kind einzuwirken. Panik sei fehl am Platze.
Wichtig ist auch, dass die Familie weiß, was zu tun ist, wenn sich der gemessene Wert verschlechtert. Das heißt: Ein Asthmaspray sollte man zum Sport immer mit sich zu führen und das auch rechtzeitig anwenden. Dr. Diensberg: „Man kann ein bronchienerweiterndes Mittel auch prophylaktisch vor einer Belastung inhalieren. So kommt man den Berg hinauf, ohne überhaupt einen Asthmaanfall zu riskieren. Dies sollte Teil des ärztlichen Beratungsgesprächs und individuellen Behandlungs- und Notfallplans sein.“
Seiner Erfahrung nach, bekommen die Kinder im Laufe der Zeit ein gutes Gefühl dafür, wie stark sie sich beim Sport belasten können und wo ihre Grenze ist. Dennoch sei es immer sinnvoll, wenn die Eltern den Übungsleiter damit konfrontieren, dass dieses Kind eventuell einen Asthmaanfall bekommen könnte, sagt Dr. Diensberg. „Es ist zum Glück nicht häufig.“
Droht tatsächlich ein asthmatischer Anfall, sollte das Kind in atemerleichternder Körperstellung mit Lippenbremse atmen. Anschließend das Notfallmedikament inhalieren. Tritt nach etwa zehn Minuten keine Besserung ein, sollte man erneut inhalieren. Bessert sich der Zustand danach immer noch nicht, sollte der Sporttrainer einen Arzt benachrichtigen.
Quelle: Experteninterview mit Dr. Diensberg, Facharzt für Allgemeinmedizin aus Wetter, 2023.